In der Zeit vom 09.01. - 15.01.05 war wieder ein Renn-Skikurs für Blinde-und Sehbehinderte ausgeschrieben. Ich hatte schon lange überlegt, ob ich daran teilnehmen sollte. Irgendwie wäre es sicher wieder einmal ganz toll, eine Woche lang mit Begleitläufern über die Pisten zu fahren. Nachedem mein schlechtes Auge immer Probleme schafft, waren meine Bedenken doch gross. Mein Kollege Albert hatte seine Teilnahme daran 100% ausgeschlossen. Ich legte all meine Bedenken beiseite und meldete mich für diese Woche an. Es gab 12 gemeldete Behindertensportler und ebensoviele Begleitläufer. Leider gab es unmittelbar vor Kursbeginn 2 Absagen. Charly, der Kursleiter, bemühte sich dieses Defizit durch stundenlanges Telefonieren auszugleichen. Mit Fingerspitzengefühl gelang es ihm, die "Vorläufer" auf zu treiben.
Am 9.Jän. trafen sich Charly, Wolfgang und ich am Westbahnhof. Ich hatte mein Gepäck per Bahn (Haus zu Haus Gepäck) aufgegeben und brauchte somit nicht schwer zu schleppen. Die Bahnfahrt war total kurzweilig. In Saalfelden trafen wir uns mit Herta und Rupert. Gemeinsam ging es per Taxi weiter ins Bundessportzentrum Maria Alm. Langsam trudelten alle Kursteilnehmer ein. Charly organisierte die Zimmerschlüssel und gab die Einteilung bekannt. Um 18.30 Uhr bekamen wir das Abendessen. Im Anschluss daran wurden wir zu einer Besprechung gerufen. Hier gab es allgemeine Infos für die kommende Woche. So gut es möglich war, wurde jedem Sportler ein Begleitläufer zugeteilt. Meiner kommt erst am Montag in der früh. Ich durfte mein schönes Zimmer mit Martina aus der Schweiz und Belinda aus Vorarlberg teilen. Die beiden Mädchen fand ich vom ersten Augenblick an sympatisch.
Im Speisesaal saßen Manuela, Herta, Martina, Belinda, Wolfgang und ich zusammen. Jene von uns, die noch einen größeren Sehrest besitzen, halfen den schlechter Sehenden. Diese Vorgangsweise funktionierte super. Es musste keienr von uns hungrig vom Tisch gehen.
Am Montag hatte Charly die Liftkarten besorgt. Für die Blindensporter bekam er Freikarten und für unsere Begleiter einen günstigen Tarif. An dieser Stelle sei dem Chef der Liftgesellschaft ein herzlicher Dank für sein großes Entgegenkommen ausgesprochen. Wir wissen diese Unterstützung zu schätzen.
Unsere ersten drei Tage wurden von traumhaften Wetter begleitet. Am Montag bekam jeder Sportler seinen Begleiter zugeteilt und dann ging es auf die Piste zum "Kennenlernen". Natürlich ist es für die Vorläufer eine Herausforderung mit uns den Blindenskisport aus zu üben. Man muss sich erst mal etwas besser kennenlernen.
Mir wurde Gernot als Vorläufer zugeteilt. Bei unserer ersten Liftfahrt tauschten wir mal unsere wichtigsten Infos aus. Bei mir ist das Vorfahren nicht ganz so einfach, da ich ja kaum 4° im Zentrum sehen kann. Ich fahre seit 1996 mit einem Funksystem und verliere leider sehr leicht den Blickkontakt zu meinem Vordermann. In dieser Woche hatten wir so manches Hoppala auf der Piste erlebt. Da die Feinabstimmung zwischen uns beiden nicht ganz stimmte, traute ich mich nicht mit Gernot zwischen den Stangen trainieren. Ich kam mit den gegebenen Kommandos nicht 100% klar. Gernot gab sich alle Mühe, um mir Freude am Skifahren zu vermitteln.
Dienstag fand bereits am Vormittag das Training statt. Jeder von uns versuchte das Beste zu geben. Gernot und ich fuhren unser eigenes Programm. Schließlich war ich ja nicht zum ausrasten auf diesen Kurs gefahren. Wann haben wir sonst die Möglichkeit, Stangenfahren zu trainieren?
Für mich gibt es bis jetzt zwei Begleitläufer, denen ich 100% blind vertrauen kann. Dies sind Stefan aus der Wildschönau und Christian aus Hadres. Beide können sich auf mein eingeschränktes Sehvermögen und mein Verhalten auf der Piste voll einstellen. In der Praxis ist es eben so, dass die beiden nicht immer für mich zur Verfügung stehen können!
Am 12.01. 05 stand ein Tagesausflug nach Dienten auf dem Programm. Um 08.20 Uhr ging es zum Bus und dann weiter nach Hinterthal. Wir teilten uns in 3 Gruppen. Gernot war der Meinung, dass wir nicht mit den schnellen Läufern mithalten könnten. Da wurde mein Ehrgeiz geweckt und ich blieb bei diesem Ausflug nicht zurück. Wir fuhren über bestens präparierte Pisten bis hinüber nach Mühlbach. Mir kam das Schönwetter zugute. Dieser Ausflug war Balsam für meine Seele. Ich spürte wie sich die Freude am Skilauf in meinem Innersten breit machte. Man kann so einen Tag kaum mit Worten beschreiben.
Am Donnerstag setzte schlechteres Wetter ein. Am Vormittag stand ein Riesentorlauftraining am Programm. Das Trainingsgelände ist recht anspruchsvoll und bietet einige Schlüsselstellen. Jeder von uns sollte so 5 mal durch den Lauf fahren. Leider war ein Behindertensportler im Zielbereich unglücklich gestürzt und musste mit dem Hubschrauber ins LKH Salzburg geflogen werden. Es bestand der Verdacht auf eine Wirbelverletzung. Auf der Heimreise am Samstag erreichte uns der Anruf von Hubert, er hat einen gebrochenen Wirbel und muss noch einige Tage im Krankenhaus bleiben. Stefan war für 2 Tage zu unserem Kurs gekommen. Er übernahm mich am Vormittag und fuhr mit mir einige male durch den gesteckten Lauf. Bei ihm kann ich einfach ohne innere Ängste nachfahren und fühle mich sicher!
Nachmittags wurde ein Super-G gesteckt. Da ging es flott hinunter. Ich bat Gernot mich am Pistenrand zu platzieren, damit ich ein paar Fotos machen konnte. Oft waren die Läufer einfach viel zu schnell vor der Linse und ich kam nicht mehr zum Auslösen. Irgendwie konnte ich die Piste auch nicht einsehen. Wenn ich irgendwo stehe ist es mir möglich, brauchbare Fotos zu machen. Somit hatte ich auch eine kleine Aufgabe zu erfüllen. ;-) Chris richtete mir amAbend meine Skier her. Die Kanten hatten in den letzten Tagen einiges abbekommen und der Belag konnte frisches Wachs gut vertragen. Das ist eine Arbeit, die ich nur unter viel Zeitaufwand selbst verrichten kann.
In der Nacht auf Freitag kam der ersehnte Neuschnee. Das sind für mich keine guten Bedingungen. Ich hab in meinem Leben nie wirklich gelernt, im Tief-oder Neuschnee zu fahren. Nachdem wir aber noch so starken Schneefall hatten, verlor ich Gernot total aus meinem Blickfeld. Wir hatten beschlossen noch einmal nach Dienten rüber zu fahren. Dort waren die Pisten mit dem Neuschnee zugedeckt. Die erste Fahrt ins Tal war Stess pur für mich. Ich spürte wie sich mein Innenleben verkrampfte und ich den Hang hinunter kämpfte. Ich erklärte Gernot, er möge mich irgendwo abstellen oder hineinsetzen, ich würde da nicht noch einmal hinunter fahren. Gernot brachte mich über die lange Querfahrt hinüber in unser Quatier. Ich ging auf mein Zimmer und war unendlich erleichtert. Für mich war dieser Tag gelaufen. Der Schneefall hatte den gesamten Vormittag angehalten und die Sicht wurde nicht wirklich besser. Beim Mittagessen kam Stefan zu mir an den Tisch und meinte, Nachmittag würde er noch einmal mit mir fahren. Irgendwie hatte ich mich darauf eingestellt, dass ich nicht mehr in die Skier steige. Nun war mir klar, ich fahre zum Abschluss dieses Kurses mit Stefan. In Maria Alm waren die Pisten gut präpariert und ich fuhr flott hinter Stefan nach. Dieser Mann verleiht mir im Inneren "Flügel". Es tat mir gut, auf diese Weise den Kurs beenden zu dürfen. Wir kamen gegen 16.30 Uhr nach Hause. Und somit lag eine Skiwoche hinter mir.
Wir sagten dem Küchenpersonal herzlichen Dank für die tolle und ausreichende Verpflegung. Nach dem Essen packten wir unsere Koffer und versorgten Ski und Schuhe. Danach saßen wir noch gemütlich in der Bar. Es wurden ständig Witze erzählt. Die Lachmuskeln kamen auf ihre Rechnung. Wegen meines empfindlichen, blinden Auges, verließ ich die heitere Runde gegen 22 Uhr. Stefan hatte uns auch schon verlassen.
Vor der Abreise erfolgte noch die Verabschiedung voneinander. Nach dem Frühstück fuhren wir zu 7. mit dem Taxi nach Saalfelden. Martina und Belinda Richtung Vorarlberg, Herta und Rupert nach Graz, Wolfgang, Charly und ich nach Wien. Wir hatten uns entschieden mit dem Bus von Saalfelden bis Salzburg und von dort weiter mit der Bahn bis Wien zu fahren. Im Bus gab es ein Erlebnis besonderer Art. Der Busfahrer akzeptierte unsere gelöste ÖBB Rückfahrkarte von Saalfelden nach Wien nicht. Weiters lehnte er unsere Spezial Cards der ÖBB für eine Fahrpreisermäßigung ab. Wir mussten uns eine neue Fahrkarte bis Salzburg lösen. Charly tel. sofort mit der ÖBB. Er bekam sogar einen Rückruf vom Salzburger Verkehrs-Verbund, der die Gültigkeit unserer Bahncards bestätigte. Beim Verlassen des Buses, ging Charly zum Fahrer vor und machte diesen auf die Tarifbestimmungen aufmerksam. Dieser behauptete, er kenne die Tarifbestimmungen besser und damit war die Sache für ihn erledigt. Charly ließ sich den Namen und die Dienstnummer des Busfahrers geben und meinte, das habe noch ein Nachspiel. Somit ging eine wunderschöne Ski-Woche in Maria Alm zu Ende. Ich habe wieder neue Personen kennengelernt und meinen Bekanntenkreis erweitert. Herzlichen Dank an meinen Vorläufer Gernot, für die schönen Stunden auf Skiern!!!