Ende des "Reserveauges" 2011
An dieser Stelle möchte ich vorerst Daniela N. und Patrick M. meinen größten Dank für ihre selbstlose Hilfestellung aussprechen. Sie brachten mich mit dem PKW von Franz V. in einer schnellen Nachtfahrt von Nitra/Slowakei in das Hanusch-Krankenhaus. In meinem Schmerztaumel mischte sich immer wieder die Meldung des Navi: achten sie auf ihre Geschwindigkeit. Mir kam diese Fahrt sehr, sehr lange vor.

Was war geschehen? Mein Auge hatte es - wie schon so oft in meinem Leben - nicht sonderlich gut mit mir gemeint. Es zeigte mit diversen Schmerzzuständen auf. Ich hatte all meine notwendigen Medikamente dabei und so fuhr ich mit zur EM im Sportschießen für Blinde und Sehbehinderte nach Nitra. Bereits am 2 Tag nach unserem Training durchfuhr - nach dem Abendessen - ein heftiger Schmerz meinen Kopf. Ich griff blitzschnell auf mein linkes Auge um nach der Schale zu fühlen. Ich ergriff meine Schutzschale und nahm diese heraus. Plötzlich fühlte ich das warme Blut aus dem Auge rinnen und von der Nase tropfen. Gleichzeitig stieß ich einen lauten Schmerzschrei aus. Dann fragte ich nach meiner Zimmerkollegin Maria, sie eilte um Hilfe. Sie hatte keine Ahnung was passiert war; Maria ist vollblind und verhielt sich wortlos im Zimmer. In Kürze waren Daniela und Patrick zur Stelle. Sie packten meine nötigsten Habseligkeiten zusammen, fassten mich unter und schon ging es Richtung Hotelausgang. Patrick hielt noch kurz Rücksprache bei der Rezeption und schon ging es raus in die kühle Abendluft. Genau in diesem Augenblick kam Franz gerade mit dem Pkw an. Wir fragten ob er uns das Auto für die Spitalsfahrt borgen könnte und schon wurde ich darin plaziert. Franz nahm sein Gepäck heraus, es wurden die Schlüssel und Papiere gewechselt und dann ging es ab Richtung Österreich.

Patrick saß bei mir hinten und sorgte immer wieder für Frischluft und verhinderte so, dass ich vor Schmerzen erbrach. Bei jeder Kurve tröpfelte das Blut von allen Seiten des Auges heraus. Dies wurde für mich eine lange und schmerzerfüllte Autoreise. Mit der Zeit begann mein Film zu reissen und ich verlor das Gefühl für Raum und Zeit. Patrick telefonierte noch vor Bratislava mit dem Hanuschkrankenhaus und kündigte unser Kommen im Vorfeld an. Weiters mussten sich die beiden um eine Nächtigungsmöglichkeit bemühen, denn der Schock war ja auch nicht ohne.

Irgendwann vernahm ich bekannte Straßennamen vom Navi. Wir waren dem Ziel schon sehr nahe. Autoendstation-Eingang-Augenstation. Patrick ging mit mir voran, während Daniela noch nach einem Parkplatz Ausschau hielt und dann meine Sachen mit hoch nahm. Ich durfte gleich auf der Erstversorgungsliege Platz nehmen. Blut kam runter, mir war sooo übel. Wieviel Blut hatte ich bereits verloren? Aber nun war Hilfe da, ein kurzer Blick durch die Spaltlampe, eine Dauernadel wurde gesetzt und eine Linderung durch das Schmerzmittel stand kurz bevor. Ich hatte ja erst am 25. Aug. eine Augen-OP hier auf dieser Station gehabt. Das Schmerzmittel tat schnell seine Wirkung und dieser Zustand fand Erleichterung. Es wurde auch noch Antibiotika verabreicht. Ich musste Erbrechen; zuviel war das alles für meinen Magen. Die Nacht ging angesichts der Ereignisse und mit Hilfe der Medikamente recht gut an mir vorbei.

Nachdem ich ja erst die letzte OP hatte, war eine Narkose-Freigabe nicht erforderlich. Man wartete auf OA R. und der saß mir nun wie eine Schattengestalt wortlos gegenüber. Ich hatte das Gefühl - eine Erklärung für die Situation - fiel ihm nicht leicht. Er würde vorerst mal operieren und danach mehr Klarheit haben. Für mich stand einfach fest, dies ist nun endlich das Ende meines sogenannten "Reserveauges". Es wurde am Nachmittag des 15. Sept. 11 noch die Operation durchgeführt. Ich vertrug die Narkose relativ gut, kämpfte jedoch gegen starke Schmerzen an. Bald drehte sich mein Magen erneut um und ich plagte mich maximal beim Erbrechen. Nachdem ich meine Sinne wieder zusammen hatte stellte ich fest, daß mein Auge mit einem dicken Druckverband umgeben war. Dieser wurde noch am selben Abend entfernt.

OA R. erklärte mir etwas von einer eventuellen 2. Operation. Es bestünde die Möglichkeit ein Implantat ins Auge zu setzen um eine Grundlage für ein bewegliches Glasauge zu schaffen. Vorerst hieß es nur abwarten. Was war eigentlich die Ursache für diesen heftigen Zwischenfall? Waren noch von der letzten Entzündung Keime im Auge? Hatte ich mir neuerlich eine Infektion eingefangen? Diese Fragen kreisten unaufhörlich in meinem Kopf. Meine linke Gesichtshälfte war stark geschwollen und das linke Auge ließ sich absolut nicht öffnen.

Am 20. Sept. erklärte mir OA R., er wird die 2. OP nicht vornehmen. Ich habe gute Chancen mit meinem eigenen Zellgewebe in der Augenhöhle das Auslangen zu finden. Ich hatte eigentlich keine Schmerzen, nur in der Nacht machte sich der ganze Kopf negativ bemerkbar. Sobald ich mich niederlegte spürte ich ein Hämmern, Trönen, Pochen und Stechen im Kopfinneren. Es wurde 6 Tage - im 8 Stundenrhythmus - Antibiotika gegeben. Ich war irgendwie der Meinung, da ist auch ein Magenschutz inkludiert und war so verwundert, dass ich seit Sonntag gar kein Essen behielt. Ich fühle mich echt sehr klapprig auf meinen Beinen. Dies wird sich sicher, nach Absetzen des Antibiotikums rasch bessern. Ich hätte schon nach Hause gehen können, doch ist mir augenblicklich eine tägliche Kontrolle auf diese Entfernung nicht möglich. Dazu bin ich einfach zu schwach. Ich muss eine Wegstrecke von über 2 Stunden rechnen. Also darf ich doch noch bleiben und setze nun bereits stundenweise meine alte Schutzschale in das Auge.

Es tut mir unendlich leid, dass ich so vielen Menschen diesen großen Schrecken zugefügt habe. Meine Familie und auch Freunde blieben einige Zeit im Ungewissen. Irgendwie war meine Handlungsfähigkeit und mein Denken auf ein Minimum zurückgeschaltet.

Mein herzlichster Dank an dieser Stelle - wie zu Eingangs schon erwähnt - meinen gesamten Schützenfreunden (meine Gedanken waren jedenfalls sehr oft bei der diesjährigen EM in Nitra), OA R. und das gesamte Ärzteteam, dem Team der Augenstation und des Augen OP´s sowie meiner Familie und meinen Freunden.

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