"Lyell Syndrom - "Blutvergiftung"
Zu Pfingsten änderte sich mein Leben drastisch, was sich bereits eine Woche vorher ankündigte. Ich bekam am ganzen Körper einen juckenden Nesselausschlag, den aber keiner so recht beachtete. In der Nacht von Freitag auf Pfingstsamstag wachte ich durch ein starkes Spannen im Gesicht und auf den Lippen auf und vor Schmerzen weinte. Für die Eltern muss mein Anblick schockierend gewesen sein. Meine Augen verschwanden im total aufgeschwollenen Gesicht. Ich hatte wahnsinnige Schmerzen. Nach kurzer Zeit bildeten sich auf meinem gesamten Körper so richtig große Blasen, die mich fürchterlich juckten. Sie waren so prall mit Wasser gefüllt, dass sie binnen kürzester Zeit aufplatzten. Meine Eltern fuhren von einem diensthabenden Arzt zum anderen, doch keiner wusste wirklich was ich hatte. (Die Meinungen und Diagnosen der Ärzte gingen weit auseinander. Einer meinte, ich wäre mit kochendem Wasser übergossen worden, der andere tippte auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Vergiftung durch Bratkartoffel.....) Am späten Nachmittag packten mich die Eltern in eine Decke und brachten mich in das Krankenhaus Neunkirchen. Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich in meinem Kummer nicht ohne Mama und Papa bleiben wollte. Bevor ich in eine erlösende, zweiwöchige Bewusstlosigkeit fiel, erinnere ich mich noch ganz genau wie ich mir die Hautfetzen - vom Unterarm und der Hand mit samt den Fingernägeln - herunterzog. Später erfuhr ich von meiner Mutter, dass sich meine Haut vom Haaransatz bis zu den Nägeln, ebenso von Ohren, Mund und Augen gänzlich abgelöst hatte. Nach zwei Tagen stationärem Spitalsaufenthalt in Neunkirchen wurde ich in das Willhelminenspital nach Wien überstellt. Mama saß im Rettungsauto bei mir. In dieser Zeit löste sich die Haut von Zuge und Mundhöhle und ich wäre fast daran erstickt. Die Ärzte waren ratlos, denn sie hatten so einen Patienten in der Praxis noch nie gesehen. Sie sagten meinen Eltern, dass es nicht sonderlich gut um mich bestellt war und sie könnten nicht wirklich viel für mich tun. Ich wurde künstlich ernährt und 3x täglich in Salbentücher gewickelt.

Da lag doch ein kleines Bündel Mensch in einem großen Bett und bestand nur aus Knochen und rohem Fleisch. In dieser Situation bestand stets extrem hohe Infektionsgefahr. Das man so einen Krankheitszustand ohne jeden geistigen Schaden überleben kann, ist wie ein Wunder!!! Wenn ich mich jetzt nicht irre, so besagt doch der medizinische Wissensstand, dass ein Mensch ab einem bestimmten Prozentsatz an Hautverlust nicht überleben kann.
Das Personal achtete genauestens darauf, dass mein Körper nicht austrocknete. Meine Mutter saß täglich von morgens bis abends an meinem Bett und hoffte inständig, ich möge diese Krise bloß überleben. Meine beiden Geschwister waren mit Papa alleine zu Hause. Papa konnte meinen Anblick immer nur für ein paar Minuten ertragen. Er wurde weiß im Gesicht und verließ rasch mein Zimmer bevor er noch umkippte. Nach zwei Wochen hatte mein kleiner „Kampfgeist“ gewonnen, das Leben in mir siegte. Doch leider war es nicht annähernd so wie früher.

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