Schmerzlicher Verlust
Weihnachten 2002 waren Mama, Papa, Gaby und ich noch zusammen und verbrachten einen sehr gemütlichen Hl. Abend miteinander. Jasmin, Gabys Tochter, war bei ihrem Freund in Deutschland. Gaby hatte an diesem Vormittag noch für Mama Bastelsachen besorgt. Ich werde diese Stunden nach der Bescherung nicht vergessen: Gaby, Mama und ich saßen in der Küche und Mama packte jedes einzelne Bastelstück mit einer solchen Freude aus dem großen Wäschekorb! Gaby schaute ihr bei diesem Tun mit Wohlwollen zu.

Ich hatte von meiner Nichte Jasmin die Zuckerdose von Gmundner Keramik bekommen. Gaby schenkte mir Tupperware für meinen Küchenbetrieb. Ich hatte für Gaby ein besonderes Essbesteck bestellt. Sie wünschte sich eines mit blauen Griffen, das für den Geschirrspüler geeignet ist. Leider kam dieses Geschenk bis Weihnachten nicht an. Ich hatte nur den Gutschein für sie. Die Eltern freuten sich ebenfalls über ihre Geschenke.
Anschließend setzten wir uns zum gemütlichen Abendessen, und danach nahmen wir im Wohnzimmer Platz. Wir plauderten über so viele Dinge und die Zeit verging wie im Fluge….

Gaby verließ uns bereits am nächsten Tag, - es waren unsere letzten gemeinsamen Stunden. Gaby hatte noch einige ärztliche Termine auf dem Programm. Noch vor dem Jahreswechsel konnte ich Gaby ihr Weihnachtsgeschenk bringen. Sie freute sich über dieses Besteck. So etwas hätte sie eben schon lange gesucht. An diesem Abend redeten wir ca. 3 Stunden über unsere Vergangenheit. Gaby erzählte mir Dinge, von denen ich bis dato noch nichts gehört hatte. Aus Karls Zeit - Gabys Ex-Mann - und die Geburt von Jasmin. Sie hatte damals das Gefühl, als hätte sich Mama nicht über klein Jasmin gefreut. Darüber war Gaby sehr traurig. Ich hatte das nie so empfunden! Da kamen noch ganz andere Dinge zum Vorschein. Irgendwie kam mir vor, als hatte Gaby das Bedürfnis einfach darüber zu reden. So war mir mein Schwesterherz fast fremd.

Silvester war Gaby alleine in Wien. Ich war mit der Feuerwehr bei einer Feuerwache und hatte dann mein Handy nicht mehr eingeschaltet. So redete mir mein Sisterlein auf den Anrufbeantworter. Sie vermerkte auf ihrem Kalender: Ganz alleine Zuhause -  wunderschön! Hätte ich doch an diesem Tag mein Handy aufgedreht, Gaby hätte wenigstens mit mir reden können! Dies war der letzte Silvester für uns.

Gaby hatte sich vor gut einem Jahr entschieden, eine Kieferkorrektur durchführen zu lassen. Es lag bereits ein Jahr Vorbereitungsarbeit hinter ihr und nun waren alle notwendigen Untersuchungen für die große Operation zu treffen. Da meine Schwester selbst im Operationsbereich tätig war, wusste sie zu genau, worauf es ankam. Sie lies sich für alle Fälle Eigenblutkonserven anlegen. Bei so einer langen Operation könnte es ja sein, dass man mehr Blut verliert und mit Eigenblut ist der Risikofaktor wieder um ein Vielfaches kleiner. Endlich hatte sie ihren letzten Befund und die Freigabe für diesen Eingriff in Händen.

In ihrer letzten Arbeitswoche machte sie noch aussertourlich Dienst. Sie wollte ihr Team nicht im Stich lassen. Gaby war stets ein Mensch, auf den man sich 100% verlassen konnte. Der große Tag rückte immer näher. Am 12. Jänner 2003 hatte Gaby mit ihrer Tochter noch eine heftige Auseinandersetzung. Sie schrieb mir einen kleinen Zettel, weil sie sich meine Bücher, die ich mir zuletzt kaufte, für das Krankenhaus ausgebort hatte.

An jenem Sonntagabend fuhr ich mit Mama nach Wien und telefonierte zum aller letzten mal mit meiner Schwester. Sie freute sich so sehr auf diese Operation und darauf, dass sich danach ihr Leben wesentlich verbessern würde. In ihrer Stimme lag unendlich viel Positives, obwohl sie kurz ihre Meinungsverschiedenheit mit Jasmin erwähnte. Sie wolle auf keinen Fall, dass ich sie am Tag der Operation im AKH besuchen komme. Dies war ihr ein ernstes Anliegen. Sie wollte nicht, dass man sie geschafft und eventuell mit verschwollenem Mund sehen würde.

Am 13.01.2003 um 7 Uhr war ihr Operationstermin angesetzt. Ich dachte schon beim Aufwachen an meine Schwester. Mama hatte einen Untersuchungstermin im Krankenhaus und wir redeten so oft von Gaby. Am späteren Nachmittag versuchte ich sie des öfteren am Handy zu erreichen, doch leider war es ausgeschaltet. Ich dachte mir, vielleicht ist sie doch so geschafft von diesem langen Eingriff, dass sie das Telefon einfach nicht in Betrieb nimmt. Ich schrieb ihr 2 SMS in der Hoffnung, sie würde diese Nachricht wenigstens lesen.

An diesem Abend schlief ich mit einem unguten Gefühl ein,  weil ich nichts von Gaby gehört habe. Es kam auch kein Anruf vom Krankenhaus, dass alles gut gegangen sei….. Die Ungewissheit ist etwas sehr Unangenehmes. In dieser Nacht wachte ich oft auf und meine Gedanken waren sofort bei meinem Schwesterherz.

Am 14.01. versuchte ich gleich nach dem Aufstehen, Gaby am Handy zu erreichen. Dieses Ding war noch immer ausgeschaltet!! Mama wollte vor dem Nachhausefahren unbedingt noch bei ihrer Tochter im AKH vorbeischauen. Also machten wir uns an jenem Dienstag auf den Weg dorthin. In besagter Station angekommen, suchten wir das Zimmer. Gaby war nicht da. Vielleicht hatte sie ja eine Untersuchung?

Da fiel mein Blick auf das Namensschild und da stand keine Gabriele P. drauf. Mich durchzuckte es wie ein Blitzschlag: Da wird doch nicht gar etwas passiert sein?!?! Ich hielt die nächste Krankenschwester an und fragte nach Frau P.! Wir sollten ein bisschen warten. Die Minuten zogen sich wie eine Ewigkeit. Mir schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Nach einiger Zeit fragte ich abermals nach dem Verbleib meiner Schwester. Wir wurden erneut vertröstet. Diese Ungewissheit schmerzte mich heftig. Endlich kam ein Arzt des Weges und bat uns mit ihm in das Untersuchungszimmer zu kommen. Wir blieben aufgeteilt im Raum stehen und der Artz begann seinen Bericht:

Haben sie noch nicht gehört, wissen sie nicht; bei der Patientin gab es Komplikationen sie musste reanimiert werden und ob sie noch lebt weiss ich nicht!

Ende der "Berichterstattung"! In mir ist der innere Film gerissen, mir kam vor als würde ich den Boden unter meinen Füssen verlieren. Die Gedanken irrten kreuz und quer durch meinen Kopf. Wie steht es um den Blutdruck meiner Mama? Hoffentlich steht sie das durch??? Nach einigen Minuten der Fassungslosigkeit stellte ich dann dem Arzt die Frage; wenn meine Schwester noch lebt, wo finde ich sie jetz??? In der Pflegestation auf Ebene 9 lautete seine kurze Antwort. Ich bedankte mich beim Arzt für seine Information, nahm meine Mama am Arm und suchte mit ihr den Weg zur Pflegestation.

Ich kann mich in meinem bisherigen Leben nicht erinnern, dass mir ein Weg schon mal so schwer gefallen ist, wie jener auf die Pflegestation. Das Pflegepersonal war ausgesprochen menschlich und auch hilfsbereit. Ich bat den Arzt, er möge sich doch bitte zuerst um Mama kümmern. Ihr Blutdruck spielte sicher verrückt. Tatsächlich, er war über 240, und der zweite Wert ebenfalls viel zu hoch. Der Arzt versorgte sie mit einem Notfallsmittel. Mama saß da und konnte das alles nicht glauben. Ich bat die Schwestern, sie mögen Jasmin in der Schule anrufen damit sie sich auch noch von ihrer Mama verabschieden konnte. Laut ärztlicher Information wurde die Operation mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen. Nach dem Gaby aus der Narkose erwacht und wieder ansprechbar war, wurde sie in das Zimmer gebracht. Sie wirkte so erleichtert, dass endlich alles überstanden war. Bald bat sie jedoch um Schmerzmittel. Laut Erzählungen der Ärzte hatte sie eine halbe Stunde später nach der Schwester geläutet, da sie auf der Brust starke Schmerzen verspürte. Dann ging alles unsagbar schnell.

Gaby musste mehrmals reanimiert werden, die Ärzte stellten sofort ein Lungen- Nieren- und Herzversagen fest. Es war eine Lungenembolie und mein Schwesterherz hatte absolut keine Chance.

Ich durfte zu Gaby ans Bett. Schon sehr eigenartig, ich brauchte keine Schutzbekleidung anziehen; also war das tatsächlich Endstation!!! Ich ging auf mein Schwesterherz zu und setzte mich an ihr Bett. Instinktiv nahm ich ihre so dick angeschwollene Hand und fing an mit ihr zu reden. Da lag sie nun in einem kühlen Raum, nur reiner Sauerstoff wurde ihr in die Lunge gepumpt. Ich hatte das Gefühl, sie war nur wegen uns noch an diese Maschine gehängt worden. Gaby war um ein Vielfaches stärker und ihr Körper war bereits im Kaltwerden. Mir schossen so viele Gedanken durch den Kopf und ich konnte es einfach nicht fassen. Sie hatte sich diese Operation so sehr gewünscht und nun war genau das für sie die Endstation auf diesem Planeten?!?!!! Gaby hatte zwar oft gesagt, nach diesem Eingriff beginnt für sie ein ganz neues Leben. Wir können uns nicht vorstellen, dass sie das tatsächlich so gemeint hat.

Ich bedankte mich für all die schönen, gemeinsamen Stunden mit ihr, dass sie mich immer überall hin mitgenommen hat und für mich auch eine gute Freundin war. Wir waren für einander da und konnten sich auf den anderen 100% verlassen.

Ich stellte ihr die Frage, wieso gehst Du? Wo du doch eine Tochter hast, die dich braucht. Ich hätte in diesem Augenblick gerne mit ihr getauscht. Ich bin alleine und ohnedies so viel krank......

Ich strich ihr sanft über die Hand und versprach ihr: Gaby, ich werde mich um deine Tochter kümmern und mich bemühen, dass sie ihren Maturabschluss schafft. Du wirst deinen Platz in meinem Herzen behalten und ich hab Dich unendlich l i e b!!! In meinem Kopf machte sich nur die Frage nach dem Warum breit. Warum, warum, warum.......

Ich gab ihr den allerletzten Kuss auf die Stirn und nahm so für "immer" Abschied von meinem geliebten Schwesterherz. MEIN HERZLICHSTES DANKESCHÖN FÜR ALLES!!!

Mama saß noch immer da, und die Ärzte sorgten sich um sie. Den Blutdruck ging es noch nicht viel besser. Inzwischen wurde in der Schule von Jasmin angerufen und ich ging hinunter in die Halle und wartete auf sie. Diese Zeit kam mir unendlich lange vor, ich stand da und konnte diese rauhe Wirklichkeit nicht begreifen. Die letzten Wochen gingen wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab.

Endlich kam meine Nichte in die riesige Halle und trat mit einem "juchu" auf mich zu. An ihrer Seite war eine Lehrerin, ich nahm Jasmin in meine Arme und brachte nur die Worte, Mami hat´s nicht geschafft, heraus. Jasmin wusste mit diesen Worten nicht wirklich was anzufangen. Sie wirkte sehr ungläubig. Inzwischen war auch mein Bruder Franz eingetroffen und saß neben Mama. Er erzählte mir, dass das AKH schon mehrfach bei mir im Büro angerufen hatte. Da mein Arbeitskollege Albert mich auch nicht am Handy erreichen konnte, rief er bei ihm an. So konnte Franz dann zurückrufen und erfuhr von diesem schmerzlichen Zwischenfall. Er versuchte es auch bei mir am Handy, doch da ich seit 9 Uhr im Krankenhaus war, hatte ich es abgeschaltet.

Jasmin ging an meiner Hand bis zu Mama´s Bett und ich ließ die beiden alleine. Keine Ahnung was sie sich noch zu sagen hatten??? Ich begleitete auch meinen Bruder hinein und er konnte diesen Anblick nur schwer ertragen. Gaby und Franz hatten zum Schluss kein gutes Verhältnis miteinander. Franz war aber sehr froh, dass er noch einmal an ihr Bett treten konnte. Ich denke diese Form von Abschied war bestimmt sehr wertvoll.

Da es Mama nicht wirklich besser ging, war ich einfach der Meinung, es ist für sie besser, sie geht jetzt nicht hinein und behält ihre Tochter einfach so, wie sie sich zuletzt gesehen haben, in Erinnerung. Ich hatte unbeschreibliche Angst um Mama. Wir verabschiedeten uns vom Ärzte- und Schwesternteam, gingen schweren Herzens Richtung Ausgang mit dem Wissen - unsere geliebte Gaby - zurücklassen zu müssen.

Wir nahmen kurz bei der Seelsorge Platz, bis wir dann zum Chef der Kieferambulanz durften. Wir bekamen was zu Trinken und ein paar Kekse. Ich genehmigte mir auch einen Kaffee, doch da machte ich die Rechnung ohne meine Magennerven. Binnen kürzester Zeit kam alles in Form von Wasser retour. Es war einfach viel zu viel. Endlich durften wir noch zu Frau Prof. M. in die Ambulanz. Bei der Begrüßung wünschte man uns bereits aufrichtiges Beileid. Der Arzt hatte auch behauptet, dass Gaby eine starke Raucherin war. Wie kam er auf so eine absurde Idee? Sie hatte in dieser Richtung bei ihrer Aufnahme kein Wort gesagt. Wieso jetzt diese Aussage?!?! Uns wurde noch nahegelegt, dass die gesamte Operation nach Plan verlief. Gaby war dann auch bereits ansprechbar und sehr glücklich, dass nun alles überstanden war. Natürlich hatte sie starke Schmerzen und bekam auch Medikamente dagegen. Das gesamte Operationsteam konnte sich diesen tragischen Verlauf nicht erklären. Sie waren persönlich schwer betroffen.

Gaby hatte bei ihrer Aufnahme auf der Station alles gesagt und sicher nichts unerwähnt gelassen. Außerdem hatte sie wegen der bevorstehenden Thromboseprophylaxe 2 Eigenblutkonserven angelegt, um für den Notfall gerüstet zu sein. In ihrem Fall wurde bezüglich der Thrombosegefahr nicht vorgesorgt. Bei dieser Operation sei es nicht sinnvoll, da der Patient zu viel Blut aus der Wunde verlieren würde. Während dieses Gespräches erfuhren wir, dass Gaby verstorben ist. Nun war ich der Meinung, Mama könne noch von Ihrer Tochter Abschied nehmen. Was sie auch ganz gefasst in Anspruch nahm. Als sie zurück kam, wirkte sie erleichtert. Gaby war am Ende ihres irdischen Weges angelangt! Es wurde uns noch von seitens der Ärzte Hilfe angeboten. Nun durften wir das AKH verlassen und fanden uns inmitten einer total veränderten Lebenssituation wieder.

Franzi fuhr uns hinaus zu Papa. Wir wollten ihm diese traurige Botschaft nicht via Telefon übermitteln. Er wäre mit dieser Nachricht alleine dagestanden. Jasmin übernahm diese Aufgabe Opa war bei diesen Worten regelrecht zurückgeprallt. Er hatte einen Traum, dass mit Gaby was nicht in Ordnung gegangen sei und fand heute auch keine innere Ruhe für sein Mittagsschläfchen. Unsere Gedanken drehten sich unaufhörlich im Kreis. Mama´s Blutdruck war noch immer viel zu hoch und wir baten unseren Hausarzt vorbei zu kommen und sie ärztlich zu versorgen. Franzi hatte extreme Kopfschmerzen und mir war einfach nur unendlich schlecht.

Jasmin und ich durften diese Nacht bei Franzi und Sigi schlafen. Es war mir sehr recht und ich meine heute, diese Hilfe war nötig. Ich bat Jasmin, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, da ich ihr in diesem speziellen Fall keine Hilfestellung bieten konnte. Sie nahm dieses Angebot nur widerwillig an. Am 15.01.2003 führte uns der Weg abermals ins AKH und es gab einiges zu erledigen. Erstens mussten wir Gaby´s Tasche von der Station holen und dann noch die "Entlassungspapiere" bei der Aufnahme. Ich war total entsetzt, dass auf dieser Aufenthaltsbestätigung aufgenommen am 12.01. und entlassen am 14.01. stand! Wieso schrieb man nicht, dass der Patient in dieser Anstalt verstorben ist?!?!?!?!!?

Das gesamte Arbeitsteam von Gaby war über diese Nachricht einfach fassungslos. Sie hatte in vielen Stationen und Ambulanzen des Hanusch Krankenhauses gearbeitet, und so ging diese Nachricht wie ein "Lauffeuer" durch das Haus. Von allen Seiten brachte man uns herzlichste Anteilnahme entgegen und es wurde ein interner Spendenaufruf für Jasmin auf die Beine gestellt. Überall bot man uns Hilfe an.

Im Hanusch Krankenhaus wurde am 10.02.2003 eine kleine Gedenkmesse für Gaby organisiert. Es waren so viele Menschen in dieser kleinen Kapelle und man spürte, welch eine beliebte Kollegin sie war. Es wurde der Werdegang in diesem Krankenhaus aufgezählt. Sigi war mit klein Lisa gekommen und leistete uns seelischen Beistand. Die Kolleginnen und Kollegen brachten uns Betroffenheit und ihr Mitgefühl entgegen. Es war ein würdiger Abschied von Gaby! Mir wurde das Spendengeld für Jasmin übergeben und ich sollte dieses auch verwalten. Damit war Jasmin sehr geholfen. Ab diesem Zeitpunkt gab es viele Wege zu erledigen, und man möchte es nicht glauben, was da alles zu tun ist!!!

Ich stand Jasmin zur Seite, sie sollte sich auch wieder um die schulische Weiterbildung kümmern. Sie nahm mich in ihre Schule mit und stellte mich als nächste Angehörige vor. Solange das Konto von meiner Schwester gesperrt war, übernahm ich die Zahlungen für meine Nichte. Die Hausverwaltung hatte da überhaupt großes Verständnis und verzichtete auf die nächsten Zahlungen. Sie würden diesen Betrag vom Kostenbeitrag abziehen. Mir war damit sehr geholfen, denn da wäre auch ich finanziell in die Sackgasse geraten. Papa brachte mir alle Papiere von Gaby nach Hause und ich schaute sie in mühevoller Kleinarbeit, anstatt zu schlafen, in der Nacht durch. Oft überkam mich ein eher beklemmendes Gefühl, wer wird eines Tages so über meinen Papieren sitzen? Immer wieder machten sich unzählige Gedanken in mir breit. Durch diese viele Mehrarbeit hätte ich auch beinahe meine Freunde verloren. Ich wusste schon nicht mehr, woher ich noch die Zeit zum Schlafen nehmen sollte und dann auch noch das! Arbeit, Jasmin, Behörden, Geldsorgen und was weiß ich noch alles hatten die totale Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass mir am Arbeitsplatz von den Vorgesetzten große Unterstützung zu teil wurde. Ohne dieses Entgegenkommen hätte alles noch schlimmer ausgesehen.

Es dauerte gut 4 Wochen bis ich den Totenschein von Gaby in der Sensengasse abholen durfte. Sie hatte sich dem Institut für Anatomie Wien zur Verfügung gestellt und wurde nach der Freigabe weitergereicht. Leider hörte ich vom Anatomischen Institut nie etwas bezüglich der Einäscherung. Sie kam in das Ehrengrab der Stadt Wien. In dieser schweren Zeit hatte mir Karl - Gaby´s Ex-Mann - ein Abschiedsmail geschrieben. Und eine Woche später (12.03.2003) wurde er in einem 3tägigen Todeskampf von seinen Qualen erlöst. Meine Freundin Burgi und ich fuhren zu seiner Beerdigung nach Stockerau. Es waren so viele Menschen, die ihm die letzte Ehre erwiesen, nur seine Tochter Jasmin kam nicht. In der Feistritzer Kirche organisierten wir eine Gedenkmesse für Gaby. Wir hätten nie gemeint, dass so viele Menschen kommen würden um in Gedanken von ihr Abschied zu nehmen. Wir hatten im Kirchengang, auf einem Stockerl, das letzte Bild von ihr gestellt und die beiden Blumenbuketts mit Schleife davor auf den Boden gelegt. Es kamen ArbeitskollegenInnen, Verwandte, Freunde unserer Familie und Leute vom Dorf. Dieser Schicksalschlag hat die Familie noch näher zusammengerückt.

Da war noch etwas: Mama und ich hatten schon vor vielen Monaten unsere 100er (Mama 60 und ich 40 Jahre) Geburtstagsfeier geplant. Diese hätte ich am liebsten abgesagt. Jasmin und die Psychologin waren der Meinung, Gaby hätte das nicht gewollt. Ich stand mit meinen Gefühlen zwischen zwei Stühlen. Die Leute am Land sehen das noch von einem anderen Standpunkt und können irgendwie nicht begreifen, wie man so was nun doch machen kann??? Jetzt - 15. Juni 2004 - hat Jasmin Gaby´s größten Wunsch, die Matura positiv abzuschließen, erfüllt. Ich bin stolz auf meine Nichte!!! Ich bemühte mich eineinhalb Jahre eine Stütze für sie zu sein, doch jetzt muss sie ihren eigenen Weg finden. Ich werde ihr stets beratend und als Freundin zur Seite stehen. Ich liebe mein Patenkind und die vergangenen Monate waren für uns beide ein "Härtetest".

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